„Sind die denn verrückt? – Ja, wir haben die Bänke verrückt!“ Mit dieser Einführung begrüßte Pfarrer Thomas Wulf nicht nur einmal die staunenden Gottesdienstbesucher in der vollen Kirche St. Elisabeth. „Aufgebrochen“ – und zwar im mehrfachen Wortsinn – war das Motto der Predigtreihe. Die Menschen sind aufgebrochen, unterwegs zu etwas Neuem. Aber auch die Strukturen werden zunehmend aufgebrochen. Sinnbild dafür war die experimentelle Sitzordnung, in der sich die Gemeinde nach dem Communio-Gedanken um Altar und Ambo versammelte: Der Herr in Sakrament und Wort im Zentrum und die Gemeinde drumherum. Und wenn etwas aufgebrochen ist, öffnet es sich für neue Impulse, Gedanken, Wege. Passend dazu prangt im Altarraum über die gesamte Höhe die Aufforderung: „Effata – Öffne dich!“ aus dem Markus-Evangelium.
Es waren besondere Fastensonntage in St. Elisabeth. Denn mit der neuen Sitzordnung war es nicht getan. Besonders waren auch die Predigten in der Fastenzeit. Vom zweiten bis zum vierten Fastensonntag predigten drei engagierte Frauen und am ersten und fünften Fastensonntag Pastor Thomas Wulf. Jede Predigt endete mit einer Frage, die die Besucherinnen und Besucher nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Austausch untereinander anregen sollte. Und manches Mal musste der Zelebrant die angeregten Gespräche für das folgende Glaubensbekenntnis unterbrechen. Dies alles ergab eine ganz neue Gottesdiensterfahrung. Nach dem Schlusssegen ging es mit dem Austausch weiter. Bei einer Tasse Kaffee diskutierten die Menschen weiter, über die Gedanken der Predigten, das experimentelle Format und insbesondere über die Sitzordnung. Hierzu konnten die Gläubigen ihr Votum durch das Einwerfen von kleinen Bällen in Zylinder abgeben. Außerdem nutzen viele die Gelegenheit, und schrieben die Gründe für ihre Zustimmung oder ihre Ablehnung der Sitzordnung auf aufgelegte Karten. So wurden bis Palmsonntag rund 100 Karten geschrieben und mehr als 500 Bälle eingeworfen – eine beeindruckende Beteiligung, die auch die große Resonanz der Predigtreihe widerspiegelt.
Nach Palmsonntag verschwanden die Bälle und Karten. Und auch die Bänke kehrten zur hergebrachten Ordnung zurück. Wie geht es weiter? Die große Mehrheit der geworfenen Bälle tendierte zur Beibehaltung der neuen Sitzordnung. Aber die Aktion war von vornherein nur auf ein vorübergehendes Experiment angelegt. Was bleibt, sind die Erinnerungen an eine stets volle Kirche, besondere Predigten und viele Gespräche während und nach der Messe. Noch nie wurde über so lange Zeit nach den Gottesdiensten diskutiert. Immer neue, verschiedene Gesprächsgrüppchen standen zusammen. „Aufgebrochen“ eben. „Und die Kirche bewegt sich doch“, stand auf einer Karte. So wurden die fünf Wochen auch zu einem Symbol für den oft vermissten Wandel in unserer Kirche.